Dienstag, 6. November 2012
Die Prinzessin und ihr Turm
Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin, die vor vielen, vielen Jahren eines eingebildeten Verbrechens für schuldig befunden worden war. Als Symbol ihrer Schuld wurde ein Turm errichtet mit einer winzigen Zelle an seiner Spitze. Dort saß die Prinzessin fest, wanderte tiefe Furchen in den groben Steinboden ihrer Zelle und beobachtete die Menschen auf den Straßen unter ihr. Wie kleine Ameisen schienen sie. Mit nichts beschäftigt, als essen, schlafen, trinken, streiten und vielen anderen unwichtigen, kleinen Dingen. Wie konnten sie nur leben, ohne den herrlichen Überblick von hier oben?
Nachts, wenn sie schutzlos dem Wind ausgesetzt war, zog die Prinzessin sich in die hinterste Ecke der Zelle zurück, zog die Beine an, schlang die Arme um ihren Körper und machte sich zitternd so klein wie möglich. Nachts konnte keiner sie sehen. Am anderen Tag stand sie wieder am Fenster und schüttelte den Kopf über das bunte, unorganisierte Treiben in den Straßen unter ihr.
Eines Tages zog der Narr durch diese Stadt. Den grauen, verfallenden Turm und das blitzende, weiße Kleid der Prinzessin hatte er schon von weitem gesehen. Doch in der ganzen Stadt konnte ihm niemand mehr den genauen Grund für dieses seltsame Bauwerk nennen. Längst waren die Prinzessin und ihr Turm aus den Gedanken der Menschen verschwunden. "Die büßt für eine alte Schuld!" hieß es.
Neugierig geworden machte der Narr sich auf, die Prinzessin selber zu besuchen. Ehrfurchtgebietend hoch war der Turm von seinem Fuß aus. Und der Aufstieg über die bröckelnden Treppenstufen war alles andere als behaglich. Mehr als einmal brach ein gutes Stück der Treppenstufen ab, prallte gegen die Mauer des Turmes und krachte mit lautem Knall auf den Boden.
Am oberen Ende der Treppe angekommen, sah er sich plötzlich mit den blitzenden Augen der Prinzessin konfrontiert. Wie er es denn wagen könne, diesen Turm einfach so zu besteigen? Er habe gefälligst sofort umzukehren und ihre Isolation nicht weiter zu stören!
Geduldig dem Gezeter zuhörend sah sich der Narr erst einmal um - schließlich war der Aufstieg beschwerlich genug gewesen. Aus dieser Höhe schien die Welt unter ihm so klein. Man hatte einen tollen Überblick über das Leben, ohne auch nur annähernd involviert zu sein. Der Lärm der Marktschreier, das Schachern der Händler, die Rufe der Kinder verloren sich zu einem leisen, gedämpften Hintergrundrauschen, und der Tag zog still vorüber.
Auf der obersten Treppenstufe sitzend war der Blick auf die untergehende Sonne wirklich wunderschön. Doch mit Verschwinden der letzten Sonnenstrahlen wurde es auch schlagartig bitter kalt hier oben. Das Geschimpfe der Prinzessin wurde immer mehr von Zähneklappern unterbrochen, nur um wieder einzusetzen, nachdem er ihr seinen warmen Mantel angeboten hatte. Verwundert über soviel Bitterkeit machte der Narr sich an den Abstieg. Mit jeder Treppenstufe wurde es wärmer, bis er wieder ganz von der Wärme und dem Dunst der Stadt eingehüllt war.
An einem der folgenden Tage konnte man ein Blitzen und Blinken vom obersten Stockwerk des Turmes sehen. Ob da jemand doch Kontakt sucht? Neugierig geworden begab sich der Narr erneut zum Turm, erklomm die morschen Stufen und sah sich seiner Prinzessin gegenüber. "Du bist zwar nur ein Narr - aber wie ist es in der Welt da draußen?" Und der Narr beschrieb ihr die Welt aus seiner Perspektive. Die vielen Städte und Länder, Landschaften der Erde und der Seele, die Menschen und ihre albernen Sitten und Bräuche. Und die Prinzessin lachte den Narren aus. "Du bist ein Narr! Du weisst nicht wie das Leben wirklich ist!"
In der folgenden Nacht war dem Narren unter den gewöhnlichen Menschen nicht mehr behaglich zumute. Hatte die Prinzessin recht? Aber wieso saß sie dann alleine frierend in ihrem Turm?
Wieso der Narr am nächsten Tag wieder den Aufstieg gewagt hatte, war ihm selber nicht klar. Und so begann er sich mit der Prinzessin zu unterhalten, sie sprachen über die Sterne und den Mond, die Menschen und ihre Götter und entdeckten sehr, sehr viele Gemeinsamkeiten. Die Prinzessin vergaß manchmal sogar, nachts zu frieren. Und eines Nachts verließen sie sogar gemeinsam den Turm und mischten sich einfach unter das Volk. Niemand schenkte ihnen Beachtung und die beiden hatten einen tollen Abend, tanzten bis zur Erschöpfung. Er hatte sie einen kleinen Moment lang wirklich glücklich gesehen.
Doch soviel Glück konnte die Prinzessin nicht zulassen. Es war ihr unbehaglich nach all den Jahren der Distanz. Sie wollte zurück in ihren Turm und hatte Angst, sich auf die Freiheit des Narren einzulassen.

Der Narr musste weiterziehen. Und trotzdem sticht es jedes Mal in seinem Herzen, wenn er das Blinken am Horizont sieht...



Dienstag, 26. Oktober 2010
Whirlpools...
sind von Kobolden betrieben. Da bin ich mir mittlerweile fast sicher.

Diese kleinen Kerle mit den spitzen Ohren sitzen gut versteckt in der Verkleidung des Whirlpools und blasen je nach Lust und Laune mit voller Heftigkeit in kleine Strohhalme. Deren Enden wiederum ragen bis ins lauwarme Badewasser - unter die Gesäße und Rücken aufgequollener Badetouristen.
Und da es im Pool so angenehm warm ist, wird der Alltag mitsamt den Bauchnabel- und Sockenflusen davongespült. Es wird geschäkert, gelacht, getaucht (!), und erzählt. Vom neuen Supermarkt um die Ecke mit dem tollen Ökobrotaufstrichangebot, dem kalten Wetter und dass es morgens so spät erst hell wird.
Männlein und Weiblein kommen sich näher - weil man ja sonst nix hört. Zufällige Berührungen an den richtigen Stellen verlieren ihre Zufälligkeit. Es wird konkreter, heißer. Hormone schweben gemeinsam mit dem Dampf über der Wasseroberfläche, Hände verfangen sich an nicht mehr ganz unverfänglichen Stellen, Küsse werden ausgetauscht, man kommt sich noch näher. Jedes Päärchen ist mit sich beschäftigt - oder gibt das zumindest vor. (Einer schaut ja doch immer, ob die anderen nicht spingsen.) Die Lage spitzt sich enorm zu.
Und just im Moment der begierlichsten Begierde hören die Kobolde einfach auf zu blasen. Schluss. Aus. Kein Lufthauch entweicht mehr aus den Düsen. Nada. Der Lärm durch das blubbernde Wasser verstummt. Totenstille legt sich über den eben noch von Gelächter und Gejuchze überzogenen Badeteich. Eigentlich fehlt nur noch der vertrocknete Dornbusch, der durch die Szenerie rollt.
Man sortiert sich wieder. Jeder nur zwei Hände. Verrutsche Badekleidung wird wieder geradegerückt. (Jaja...die Strömung war aber auch heftig...ohja.) Verschämte Blicke in die Runde. Alle anderen fummeln sich auch zurecht. Na dann ist ja gut.
Einen Moment bleiben alle noch sitzen. Klar...ist ja auch so entspannend ohne das Geblubber. Die ersten Damen springen auf und schwimmen zum Treppchen. Werden von ihren Partnern wieder zurückgezogen. "Ach lass uns noch was bleiben, Schatz." Denn von den eben noch eifrig fummelnden will keiner aussteigen.
Der Erste geht - gezogen von seiner Schönsten. Winnetous Neid ist ihm sicher - nicht wegen der Squah. Sondern wegen des Tipis, das jeden Häuptling blass vor Neid machen würde.
Wenn man in solchen Momenten ganz leise ist, dann hört man die Kobolde hämisch kichern...



Montag, 18. Oktober 2010
Ernsthaft paaren...
...oder doch lieber lassen?

Gestern abend habe ich mit meiner aktuellen Lieblingsfrau das Thema angerissen, ob wir uns als Pärchen sehen. Und musste hören, dass sie sich da nicht sicher sei. Sie scheint die Zeit mit mir zu genießen, aber irgendwie kommt sonst nichts vor ihrer Seite...
Ich für meinen Teil sehe uns gerne als Paar im Aufbau. Es ist nicht alles perfekt, aber man kann ja dran arbeiten. Und ich mache mir keine Sorgen um mein Seelenheil, wenn das nicht klappt. Nur weiß ich halt gerne, wo ich dran bin.

Noch bin ich dafür, daran zu arbeiten...



Date in der Sauna...
Ich bin ja schon so Einiges von mir gewöhnt. Aber dieses Date führt die Liste meiner Schelmenstreiche an. Obwohl in mir der Gedanke keimt, dass auch romanische Kirchen einen gewissen Reiz bieten...

Die betreffende Lady hatte ich auf einer "Dating"-Website kennengelernt. Sie suchte einen aufregenden Abend und einen Liebhaber, der ihre Gier nach Abwechslung befriedigt.

Als Treffpunkt hatte ich ein öffentliches Spaßbad mit hübschem Saunabereich ausgewählt. Sie war schon weit vor der verabredeten Zeit am Treffpunkt und sah tatsächlich live besser(!) aus als auf den Fotos. Eine Frau, wie sie mein neuer Geschmack werden könnte: Wirklich schlank, blond, mittelgroß und blaue Augen. (Bisher war mir immer eine Tendenz zu Frauen mit leichtem Doppelkinnansatz nachgesagt worden.)

Leichte Enttäuschung machte sich breit als man uns an der Kasse mitteilte, dass Männlein und Weiblein getrennte Großraumumkleiden benutzen...denkt da keiner an die Gefahr einer Spontanentzündung der aufgeheizten Badegäste?

Die Lady hatte das mit der Umkleidekabine tatsächlich falsch verstanden und präsentierte sich mir in der Pracht eines ebenso hübschen wie völlig unpassenden Bikinis. Nach kurzem, klärenden Gespräch über die "Kleiderordnung" entschwand sie nochmals in die Auskleidekabine, um wenige Sekunden angemessen entkleidet mit mir einen Drink an der Bar zu nehmen.

Es werde nichts mit uns zweien war so ziemlich das Erste, was ich hören musste. Ich sähe viel älter aus, als mein Foto suggeriert habe. Stimmt...im letzten halben Jahr habe ich einiges mitgemacht... (?!?)
Andererseits amüsierte mich von einer Dame gedisst zu werden, die "mit Ihrem Körper sehr zufrieden ist" und eine nicht zu versteckende weil nicht wirklich echte Oberweite vor sich herträgt. Fühlt sich übrigens natürlicher an, als es aussieht...

Aber als Narr kann ich mich von sowas nicht beeindrucken lassen. Mein Plan bestand darin, mir einen schönen Abend zu machen. Und wenn ich eines gelernt habe, dann ist es nicht mehr allzu viel auf verbale Äußerungen zu geben. Immerhin brauchte es nur eine Runde in einer kleinen, schnuckeligen Zweipersonensauna, bis sie dann doch auftaute (deutliche Schmelzwasserproduktion...)

Der Rest des Abends bestand aus gegenseitigen Versicherungen, keinen Sex zu wollen, vielen dem Verbalen widersprechenden Zärtlichkeiten, Schmelzwasser und dem Ausdruck gegenseitiger Bewunderung bestimmter Körperteile des jeweiligen Gegenübers...

...Füße am Lagerfeuer...sinnliche Streicheleinheiten...gemeinsames Lachen...Lust auf den anderen...verschämtes Lächeln, weil man sich selbst nicht widersprechen will...ein Muster auf dem Rücken...noch eine Runde in der kleinen Sauna...offenherziges Genießen...

Darf man einer Frau sagen, dass sie ein krasses Ohr hat?

Wer, wenn nicht ein Narr...



Freitag, 15. Oktober 2010
Polizei...
Ein Abend im späteren Sommer. Eine Wiese unter blauem Himmel, ein Sonnenuntergang, zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts aber gleicher Intention. Ein Traumrezept für einen netten Abend...
Perfekt gemacht wurde die Szene durch eine Liegedecke, zwei Pizzen, diverse Flaschen Kölsch und die aufkommende Dunkelheit. Heftiges Schmatzen und Schlürfen wurde nach kurzer Zeit von heftigstem Fummeln und Knutschen abgelöst. Mit zunehmender Dunkelheit verteilten sich die Kleider links und rechts von unserer Position. Die zweihundert Meter entfernte Party ließ sich davon nicht im Mindesten beeindrucken. Wenn man uns zuvor überhaupt bemerkt hatte, so konnte man uns jetzt im hohen Gras sowieso nicht mehr ausmachen.
Ob aus romantischem Gefühl oder aus schlichter Dummheit - einer der etwa fünfzig Partygäste entzündete zum Entzücken aller einen Müllkontainer. Naja...fast aller...irgendwer aus der Nachbarschaft muss der Polizei sein Missfallen ausgedrückt haben, die prompt mit mehreren Streifenwagen die Wiese bevölkerte...Blaulicht und aufgeblendete Scheinwerfer erleuchteten die Szenerie...und uns, ineinander verschlungen und leicht irritiert. POLIZEI gellte aus den Lautsprechern der Streifenwagen und die gesamte Wiese wurde einer Ausweiskontrolle unterzogen. Apropos unterziehen...wir konnten uns gerade noch das Wichtigste überziehen, bevor wir von einer charmant grinsenden Polizistin befragt wurden. Die Freunde und Helfer müssen wohl so einiges gewöhnt sein...
Es kehrte tatsächlich nach einigen lebahften Minuten wieder Ruhe auf der Wiese ein. Kaninchen hoppelten ihres Weges um den Füchsen "Gute Nacht" zu wünschen und unsere Liegedecke wurde wieder zur Lotterdecke. Aber nicht nur für uns. Von so vielen (Mücken-)Weibchen bin ich lange nicht vernascht worden. Auf meinem Allerwertesten konnte ich drei Tage nicht vernünftig sitzen. Wie kamen die da bloß hin?

Kleine Sünden...



Es gibt keine richtigen Zeitpunkte...
...aber es gibt weniger gute und ausgesucht schlechte.

Vor gar nicht langer Zeit liebten sich zwei Menschen für sehr lange Zeit inniglich. Sie teilten Tisch und Bett, Gedanken und Gelächter, Freud und Leid und in vieler Hinsicht sieben durch zwei. (Jahre, Tage pro Woche...)

Unverhofft und in einem völlig unpassenden Moment gebar SIE den Narren. Ein fremder Mann war der strahlende Vater. Die Wehen der nahenden Geburt waren so groß, dass SIE nicht nur ihren Urlaub abbrach, sondern IHM die "Frohe Botschaft" drei Tage vor Abgabe seiner Diplomarbeit überbringen musste.

Sie habe sich auch eine Affäre mit dem anderen vorstellen können (wäre im bestehenden Beziehungskonzept möglich gewesen), er habe aber "ganz oder garnicht" gewollt. Wie nett und ehrlich von ihm, oder? Da lag die Entscheidung doch nahe...
Sie könne sich keine Heirat und Kinder mehr mit IHM vorstellen...
Sie habe drei Wochen lang immerzu überlegt... (Und nie das Bedürfnis gehabt, das mal mit IHM zu bereden???)

Und so wurde der NARR in eine stürmische, sehr bewegte Zeit geboren. Gutes Timing, muss ich sagen. Mein Respekt für das Feingefühl.

Kurz und quasi abschließend zu ihr: Witziger Weise hatte SIE, die nie eine eigene Wohnung wollte kaum dreißig Tage nach der Trennung plötzlich genau dies. Ob des Narren Vaters Name auch auf dem Klingelschild steht?
Der NARR weiss es nicht - er hat sich entschieden, IHR und "seinem Vater" den Rücken zu kehren und die Welt zu entdecken. Die Narben seiner Geburt trägt er stolz als Zeichen seiner Herkunft.

Nur bei Wetterwechsel jucken sie manchmal...